Zeit für das zweite Event in diesem Jahr, das traditionelle Vor-Weihnachts-Kochen im November. Wie auch letztes Jahr schon, begleitet von bestem Novemberregen…
Bedingt durch Reisen und allgemeinem zuviel-zu-tun kommt dieser Bericht nun leider etwas über einen Monat später, aber immerhin noch vor Weihnachten. 😉 So wollen wir uns auch nicht allzu lange mit dem Prolog aufhalten. Es waren grob überschlagen 19 Köche mit Personalessen, Apéro, 3 Amuses, 11 Gängen und Digestif zwei Tage lang beschäftigt.
Aus der Fortsetzungsgeschichte zum Zeitplan bringen wie heute die Episode „Ordnung aus dem Chaos“:
Sieht doch gleich viel übersichtlicher aus! Brachte leider im Bezug auf die Zeiten nur bedingt etwas, der letzte Gang kam um 23:20 statt 19:00. Was für mich absolut in Ordnung war, denn zeitweise standen die Teller wieder Schlange, und den Käse aß ich vor dem Fleisch, das dafür eine Runde in die Mikrowelle durfte. Eine engere Taktung der Gänge ist bei zwei zu fotografierenden Varianten schlicht nicht machbar. Und auch die Köche kamen teilweise nicht gleich- oder rechtzeitig zum Essen, was den sozialen Faktor der Events doch sehr schmälert. Und der gehört schon auch mit dazu, schließlich sehen sich viele das ganze Jahr über nur auf den Events. Für das nächste Event sind weniger Gänge mit entspannterer Taktung angekündigt, mal sehen wie sich das auswirkt!
Bevor das eigentliche Menü startete, gab es zur Stärkung ein original Wiener Saftgulasch. Es hatte sich nämlich im Vorfeld in unserer Gruppe eine Diskussion um die Zubereitung von Gulasch ergeben, und so wurde kurzerhand einmal die Wiener Sicht der Dinge vorgeführt. Und die war vom allerfeinsten! Sehr schade, dass man sich beim Personalessen immer sehr zurück halten muss, es kommen ja noch ein Dutzend Gänge… Lustigerweise ergab sich im Nachgang des Events ein ähnlicher Effekt wie seinerzeit beim Bœuf Bourguignon: Alle kochten Saftgulasch. 😀 Mein Newsfeed bestand teilweise nur aus Gulasch-Fotos. Nicht, dass wir nicht auch eines gekocht hätten. 😇
Zum Apéro gab es wieder selbst gebackene Brote und aromatisierte Butter. Diesmal gedämpfte Brötchen (sooooo flauschig! Würde ich unbedingt auch mal für ein Edel-Fast Food probieren), Moorbrot (mit echtem Moor, schön würzig) und Haselnussbrot (wunderbar knusprig). Alle drei merkenswert. Als Butter gab es Miso (mein Favorit), Dorschleber (nicht mein Favorit, außerdem würde ich von Dorschleber aufgrund der massiven Schadstoffbelastung prinzipiell die Finger lassen…) und Sanddorn (wenn man Sanddorn mag).
Das erste Amuse, ein „Arabisches Buddla [fränkisch für Hühnchen]“. Das Huhn wurde in Safran-Knoblauch-Milch aromatisiert. Dazu ein sous vide gegarter Bete-Würfel mit einer Orangen-Schmand-Crème und einer grünen Wacholderbeere, frittierte Sojahaut, Espresso-Kokos-Crème und Essigperlen. Leider waren die Saucen so flüssig, dass sie ineinander verlaufen sind, bevor das Foto im Kasten war… Von arabischen Aromen ist im Huhn nicht viel bei mir angekommen, vielleicht lag es aber auch daran, dass der Gang komplett kalt war bis ich ihn versuchen konnte.
Als zweites Amuse wurde ein „Sonnenblumen-Tee“ gereicht. Eine Suppe von Topinambur (Event-Liebling Nr. 1 — Check) mit diversen passenden Einlagen. Etwas schade fand ich die Zuckerrübe an dieser Stelle. Das ist ja eine Zutat, die man gewöhnlicherweise überhaupt nicht zu Gesicht bekommt, und die laut Gwex großes Potential hat. Nur in der Suppe habe ich sie ehrlich gesagt nicht bemerkt und mich das ganze Event über gefragt, wann denn nun die Zuckerrübe ihren Einsatz hat.
Man kann die Gwex-Events auch regelmäßig als Herausforderung, sich den eigenen kulinarischen Abneigungen zu stellen, begreifen. Innereien sind stets beliebte Gäste im Menü und bekanntlich nicht jedermanns Sache. Dieses Mal gab es sogar eine ganze Reihe, angefangen bei der Dorschleber. Teil zwei nun also „Drüsenfieber“ mit Bries. Ich fand die Kombination mit dem Püree, den Lindenblüten und den Walnüssen sehr passend.
Den Suppengang bestritt diesmal eine Kürbissuppe mit herbstlichen Einlagen. Alles sehr stimmig, wenn auch am Ende halt einfach Kürbissuppe.
Nummer drei der Innereien-Gänge, diesmal gleich in doppelter Dosis. „Das Schweigen der Lämmer“ — Gegrilltes Herz vom Lamm und gekochte Zunge desselben. Dazu mit rote Bete-Saft aromatisierter Rettich, in Salz & Essig fermentierter Grünkohl und Fregola (sardische Nudeln in Laich-Form, daher der Name). Ein toller Gang, schönes Zusammenspiel der Aromen und Konsistenzen. Zunge und Herz sind am Ende des Tages ja auch nur Muskeln wie alle anderen auch. Und im Zuge der Nose-to-Tail-Verwertung ist es konsequent, nicht nur das Filet vom süßen Lämmchen zu essen, wenn es schon sterben muss. 😉
Nachdem ich beruflich dauernd auf Herzen schaue, konnte ich es mir allerdings dann doch nicht verkneifen, die Herzkammern im Längsschnitt zu bewundern. Aber lassen wir das. 😉
Kurzer spontaner Break zum Zurücksetzen der Sinne, bevor es weiter geht. Eine Air von Raureif (ein neues Getränk aus Österreich aus Vogel-, Holunder-, und Aronia-Beeren, Verjus und Wasser) auf Cranberries. Wunderbar säuerlich!
Das „Oktopus-Carpaccio“ war zum Glück kein solches, einen roh aufgeschnittenen Oktopus stelle ich mir als ziemlich schwierig genießbar vor. Dieser war sous vide gegart und perfekt in der Konsistenz.
Stichwort Konfrontation mit den eigenen Abneigungen: „Hassgemüse III“ (Teil eins hier, Teil zwei gibt es nicht so richtig), die Steckrübe. Die Rübe als solche stand mit ihrer eigenen leichten Bitterkeit schon etwas im Vordergrund, aber der cremige Skyr (isländischer Quark-Jogurt) glich das aus. Und das grandiose Senf-Karamell war für mich definitiv ein Highlight.
Als Fisch gab es dieses Mal Schleie. Ein sehr feiner Fisch, wenn nur die extrem lästigen Gräten nicht wären… Dazu ein Linsen-Falafel, eine Sauerkraut-Crème und Wirsing. Dass wir mal fast einen Burger bauen würden, hätte ich nicht gedacht. 😉 Geschmacklich toll, zum Essen leider der Gräten wegen anstrengend.
Zweiter Break vor dem Fleischgang. Ein Sorbet aus Calpis, einer der Entdeckungen des Jahres beim örtlichen Sushi-Meister. Erfrischt und säubert die Geschmacksnerven.
Und das Bild möchte ich bitte „Dune, der Wüstenplanet“ nennen. 😉
Der Fleischgang „Alpines“ war ein weiteres Highlight. Eine selbstgemachte Gamsbratwurst (toll im Geschmack, leider trocken. Hätte definitiv mehr Fett nötig gehabt) und perfekt sous vide gegarter Gamsrücken. Dazu Schlutz- oder Schlipfkrapfen, Sellerie und Einkorn mit Mangold. Und ein Gletscher-Fenchel. Das ist Fenchel, der in einem Salz-Gletschergestein-Teig gegart wurde (frei nach Andreas Döllerer). Ich muss allerdings gestehen, von den alpinen Geschmackskomponenten, die er im verlinkten Video verspricht, ist mir nichts bewusst aufgefallen… Lustig sieht es allerdings schon aus:
Zum Käsegang gab es ein Eis vom schwarzen Knoblauch (wir erinnern uns, fränkisches Nutella). Als Brotaufstrich hat es mir besser gefallen. 😉 Die rote Sauce ist der Pochiersud der Feigen und am besten mit Granatapfel-Glühwein beschrieben.
Dessert Nummer eins war ein Viererlei vom Lolli in den Ausprägungen crunchy (Baiser-Podest mit Lakritzhaube), frosty (Paprikasorbet im Parfaitwürfel), creamy (Lorbeer-Negerkuss) und hot (Schneeballblümchen). Mein Favorit dürfte wohl frosty sein.
An dieser Stelle vielen Dank an Gwex für die leider etwas vergeblichen Vorbereitungsmühen — er hat verschiedene schöne Steine mit Bohrungen versehen, um die Lollies angemessen in Szene zu setzen. Leider hat das auf keinem der Fotos von der Perspektive her geklappt, so dass man jetzt nichts vom Stein sieht…
Das zweite Dessert stand unter dem Motto „Mediterran“ und hatte einen eindeutigen Pinienkern-Maulbeer-Schwerpunkt. Mir persönlich war das Pinienkern-Eis etwas zu heftig, allgemein fand es aber sehr großen Zuspruch. Dafür habe ich mich an den ganzen übrigen Tarte-Stücken erfreut. 😇
Zum Digestif gab es weder Pralinen noch etwas herzhaftes, sondern Heinerle, eine fränkische Spezialität. Eine Crème (hier auf Schokoladen-Basis) zwischen Oblaten abwechselnd geschichtet. Es gab drei Sorten: Tonkabohne mit dunkler Schokolade (links im Bild), Pistazie (rechts im Bild) und Safran (nicht im Bild). Leider hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon alles abgebaut, so dass ich mich hier herzlich bei Birgit für das Bild bedanke! Denn süße Kleinigkeiten sollen auf keinen Fall untergehen. 😉
Es gibt übrigens noch ein paar kleine Anrichte-Varianten von Amuse-Suppe und Fisch, sowie Zubereitungs-Fotos im Album.
Und damit haben wir es für 2016 geschafft und ich wünsche eine ruhige Weihnachtszeit!
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