Vegetarisches Sommerkochen 2015

In diesem Jahr gibt es nicht nur zwei, sondern gleich drei Events. Dieses ist das mittlere, und in vielerlei Hinsicht ein besonderes.

Plan

Sogar das Whiteboard kam ins Schwitzen

Beginnen wir beim Zeitpunkt – mitten im Hochsommer. Während bisher früh- bis spätwinterliche, vorweihnachtliche oder vorösterliche Termine üblich waren, fand dieses Event am letzten Augustwochenende statt. Bei strahlend blauem Himmel und kuscheligen 30°. Bestes Wetter also, um gemütlich im wunderschönen Biergarten des Lieblings-Landgasthofes unter den alten Bäumen zu sitzen. Oder natürlich bei noch gemütlicheren 40° am Herd zu stehen, dachten sich 9 Köche und verschwanden in der Küche… Womit wir bei der nächsten Besonderheit wären – 9 Köche! Geneigte Stammleser mögen sich fragen, wo die anderen 20 hin verschwunden sind. Was tatsächlich eine gute Frage ist, zu der es verschiedene Theorien gibt. Lag es am Thema (zu dem wir gleich kommen), am Datum, Wetter, oder an sonst etwas? Wahrscheinlich von allem ein bisschen… Die wenigen Köche verleiteten pessimistisch veranlagte Zeitgenossen vorab zu Unkenrufen, was das wohl für Auswirkungen auf den Zeitplan haben könnte. Nun, wir werden sehen.

Nun zum Thema des Events – ein rein vegetarisches Menü in 9 12 15 18 17 Gängen (Änderungen vorab und unterwegs vorbehalten). Spannend! Bisher waren schon immer sehr viele Gänge fleischlos, diesmal sollte das ganze Menü ohne Tiere auskommen. Wohlgemerkt, nicht ohne Tierprodukte. Nur vegetarisch, nicht vegan. Trotzdem auf gewohnt hohem Niveau, gerne ein bisschen abgefahren. Vom Aufbau nur lose am klassischen Menü orientiert – Einleitung und Schluss ganz traditionell, dazwischen viele kleine Gänge gleichberechtigt nacheinander. Was sich sehr gut gemacht hat, waren doch ausgerechnet die „Haupt“gänge (Fleischgang) immer wieder mal nicht unbedingt die Höhepunkte im Menü.

5 Gänge mehr als sonst, 20 Köche weniger, mehrere sehr kleinteilige Rezepte mit vielen Komponenten. Klingt nach dem perfekten Rezept für einen langen Tag! Und hier kommt das große Aber: Der beim letzten Mal eingeführte Vorbereitungstag vor dem eigentlichen Event-Samstag hat die Angelegenheit deutlich entspannt. Dazu kam, dass die kleine Koch-Truppe äußerst konzentriert ans Werk ging. Die Küche ist groß, aber 1/3 der Teilnehmer reduziert das Chaos doch beträchtlich. 😉

Apropos Chaos: Zum ersten Mal habe ich in den Kühlräumen und auf den Abstellflächen beschriftete Container mit den vorbereiteten Komponenten entdeckt. Wenn das mal keine guten Vorzeichen sind! Tatsächlich führten die exzellente Vorbereitung und der samstägliche Fleiß dazu, dass die Schlagzahl teilweise beängstigend war. Die Küche brachte mich ganz schön ins Schwitzen, teilweise kamen die Gänge, bevor der vorhergehende im Kasten (geschweige denn gegessen) war. 😮

Ordnung

Ordnung

 

Apéro

Zitronenthymian-Sablés, Erdnüsse in Kaffir-Olivenöl geröstet, Räucherkäse-Würmer

Ein Personalessen gab es dieses Mal keines, stattdessen ging es ziemlich genau um 13 Uhr mit dem Apéritif los. Zu Trinken gab es einen alkoholfreien Birnen-Linden-Kamille-„Prosecco“, der nach einhelliger Meinung ziemlich süß war (der ein oder andere wurde daraufhin mit einem echten Sekt gesichtet).

Die Knabbersachen zum Apéro waren ein abwechslungsreicher Einstieg, nur von den Kaffirlimetten an den Erdnüssen habe ich leider nichts geschmeckt. Die schmeckten einfach nach stark gerösteten Erdnüssen… Schade!

 

 

Amuses

Rettich-„Ravioli“ mit Giersch & Tofu, Brennnesselsamen, Kürbis-Sauce, Rattenschwanz-Radieschen-Schoten // Flan von Lindenblüten und Sellerie, eingelegter Sellerie, Holunder, Süßdolde, Haselnuss, salzkaramellisierte Haferflocken, eingelegter Knöterich // Melonen-Gurken-Salat, Schabziger-Grissini, Minze, Monarda-Blüten, Goji-Beeren, gemahlener grüner Anis

Amuses

Rettich-„Ravioli“ mit Giersch & Tofu, Brennnesselsamen, Kürbis-Sauce, Rattenschwanz-Radieschen-Schoten // Flan von Lindenblüten und Sellerie, eingelegter Sellerie, Holunder, Süßdolde, Haselnuss, salzkaramellisierte Haferflocken, eingelegter Knöterich // Melonen-Gurken-Salat, Schabziger-Grissini, Minze, Monarda-Blüten, Goji-Beeren, gemahlener grüner Anis

Mit den drei Amuses ging es dann gleich richtig zur Sache. Ein hauchdünner Ravioli aus Rettich, gefüllt mit einer Giersch-Tofu-Masse. Dazu ein Rattenschwanz-Radieschen – sieht aus wie eine Schote (ist auch eine Samenkapsel), schmeckt wie ein Radieschen. Dann ein Sellerietürmchen (Sellerie-Variationen sind Klassiker!) und ein kleiner fruchtiger Salat. Die Grissinis dazu stellten sich im Laufe des Abends als Lieblingssnack einiger Teilnehmer heraus, gab ja sonst nicht so viel zu essen… Oh, und ein kleiner Gastauftritt des schwarzen Spiegels hatte sich auch aufs Foto geschmuggelt. Beim „Gedöns“ erkennt man eindeutig den Botaniker im Menüschreiber, und das ist erst der Anfang!

 

Salat

Ebly-Salat mit gelben Bohnen, gegrillte Artischocken, gelbe Zucchini, Malz-Brot, Buchweizenpops

Salat

Ebly-Salat mit gelben Bohnen, gegrillte Artischocken, gelbe Zucchini, Malz-Brot, Buchweizenpops

Noch sind wir in der klassischen Menüfolge unterwegs, der erste Gang war ein kalter Salat. Die Artischocken waren fantastisch, damit hätte man glaube ich jeden Artischocken-Verweigerer überzeugen können. Der Salat war mit Johannisbeerknospenessig und -öl angemacht. Für mich persönlich war ein Auszug aus dem Holz schwarzer Johannisbeeren DIE Entdeckung des letzten Jahres, dank eines entsprechenden Eises von Andree Köthe & Yves Ollech. Ein geradliniger Gang, geschmacklich perfekt, weiter geht es im Takt.

 

Suppe

Weiße Tomatensuppe, Safran-Gel, Algen-Knusper, Erbsensprossen, Süßkartoffel, Buschtomate, Schafgarbe, Parmesan-Chip

Suppe

Weiße Tomatensuppe, Safran-Gel, Algen-Knusper, Erbsensprossen, Süßkartoffel, Buschtomate, Schafgarbe, Parmesan-Chip

Die Suppe. Oder eher, „gekühlte, angestockte Umami-Consommé-Sulz“. Ein weißer Tomatenfond, der mit Xanthan angeliert wurde. Von der Idee überraschend weil unerwartet, nur leider wird mit Xanthan gebundenes immer etwas schleimig. Davon abgesehen war die Suppe natürlich der Umami-Hammer, alle Zutaten haben einen hohen natürlichen Glutamat-Gehalt. Deswegen war die Portionsgröße genau richtig gewählt. 😉 Mehr braucht es nicht, aber das hinterlässt Eindruck. Durchaus verschiedenen bei den Teilnehmern. Mir ist die Buschtomate am deutlichsten in Erinnerung geblieben, ein intensives Stückchen in einem intensiven Gang.

 

Bevor wir zum warmen Salat kommen, ein kleines Rätselbild. Wer hat schon einmal Eigelb auf der Reibe gerieben?

Eigelb

Eigelb

 

Warmer Salat

Gedünsteter Salat, fermentiertes Eigelb, geraspelter roher Blumenkohl, rohe Holunderbeeren, Zirben-Essig

Warmer Salat

Gedünsteter Salat, fermentiertes Eigelb, geraspelter roher Blumenkohl, rohe Holunderbeeren, Zirben-Essig

Des Rätsels Lösung heißt Fermentation. Das Eigelb wurde mit Salz, Zucker und Orangenschale vier Tage lang fermentiert, anschließend tiefgefroren und gerieben. Der Gang als Ganzes war eher zurückhaltend in den Aromen, ein Herunterkommen der Geschmacksknospen nach der Suppe. Aber zwei Zutaten verdienen noch eine besondere Erwähnung. Rohe Holunderbeeren, ein netter kleiner Gag. Ja, die sind leicht giftig, aber von 5 Stück muss man schon einen sehr schwachen Magen haben, um anschließend – lassen wir das. Reden wir lieber vom Zirben-Essig! Was für ein tolles Zeug. Ich mag Zirbenschnaps sehr gerne, und als Essig ist die Zirbelkiefer ebenso fein.

 

Vorspeise

Pinienkernknödel auf Brokkoli-Crème, Tomaten-Paprika-Salsa, frittierte Zwiebeln

Vorspeise

Pinienkernknödel auf Brokkoli-Crème, Tomaten-Paprika-Salsa, frittierte Zwiebeln

Ob dieser Gang jetzt schon Teil der folgenden Reihe ist, oder noch eine warme Vorspeise, ist am Ende auch egal. Gegessen wird, was und wie es kommt. Tatsächlich kamen die Gänge nicht ganz in der hier gezeigten Reihenfolge, da ein Kochteam vom anderen überholt wurde. Aber ich zeige lieber die geplante Reihenfolge. Deswegen also nun ein Pinienkern-Semmel-Knödel. Die Salsa war eindeutig das Highlight, fruchtig scharf, tomatig, gut.

 

Break

Jogurt, Hibiskussirup, Kamillenblüten

Break

Jogurt, Hibiskussirup, Kamillenblüten

Es folgte ein spontaner Break. Wie eingangs erwähnt unterlag die Anzahl der Gänge diversen Schwankungen. Im Vorfeld, was normal ist. Aber auch noch während des Events wurden Gänge ein- und ausgebaut. Ungewohnt wenige Komponenten in diesem Gang. 😉 Aber keine Bange, nun kommen die „Hauptgänge“, mit dem komplexesten des Menüs gleich als erstes.

 

Zwischengang 1

Möhren in Konsistenzen (Kuchen, Chips, fermentiert, Espuma, Asche), Sonnenblumencrème, Blütenpollen, Mönchspfeffer, Weißmohnchip, „Pastis ohne“, frittiertes Karottengrün

Zwischengang 1

Möhren in Konsistenzen (Kuchen, Chips, fermentiert, Espuma, Asche), Sonnenblumencrème, Blütenpollen, Mönchspfeffer, Weißmohnchip, „Pastis ohne“, frittiertes Karottengrün

Dinge in Konsistenzen, ein beliebtes Thema. Dieses Mal die Möhre – als Kuchen, Chip, sauer fermentiert, Espuma und Asche. Das Ganze auf einer (leider etwas geronnenen) Crème von gerösteten Sonnenblumenkernen, die unbedingt nachgemacht werden muss. Nachdem wie erwähnt viele Gänge schneller kamen, als ich fotografieren konnte, hatte ich viel Spaß, bei diesem Gang wieder einmal selbst anzurichten. Zufälligerweise ist das Porzellan-Bild auch eines meiner Lieblinge von diesem Event. 😉

 

Zwischengang 2

Feigenblatt-Risotto, Berberitzen, Feigen

Zwischengang 2

Feigenblatt-Risotto, Berberitzen, Feigen

Ein Risotto mitten im Menü. Ungewohnt, aber durchaus passend hier. Ein Thema, das sich durch das gesamte Menü zog, war Bitterkeit. Viele Zutaten oder Zubereitungen waren auf der bitteren Seite. Dieser Risotto war durch die Feigenblätter deutlich bitter, was manch einem zu viel des Guten gewesen sein mag. Allerdings waren alle Gerichte, auch die komplexen, darauf angelegt, als Ganzes zu wirken. Also nicht die einzelnen Komponenten vom Teller zu picken, sondern beherzt eine Gabel voll von allem zu nehmen. Und dann waren die Feigen und Berberitzen ein perfekter Gegenpol zum Risotto und es war eine runde Sache! Apropos Risotto – ein Risotto fehlte bisher in fast keinem Menü. Viele andere Zutaten-Stammgäste waren dieses Mal allerdings nicht zugegen. Foie gras aus offensichtlichen Gründen (was mir durchaus entgegen kam…), andere wie Topinambur aus jahreszeitlichen.

 

Zwischengang 3

Gemüsesülze mit Musik, 2x Schnittlauch, Radieschen-Salat, Laugen-Chip

Zwischengang 3

Gemüsesülze mit Musik, 2x Schnittlauch, Radieschen-Salat, Laugen-Chip

Sülze mit Musik, ein fränkischer Klassiker. Hier aus allen möglichen Gemüsen und mit Schnittlauchöl. Oh, und nebenbei auch ganz oben bei den Lieblingsfotos dabei.

Schnittlauchöl

Schnittlauchöl

 

Zwischengang 4

Rohe Steinpilze, Auberginen-Kartoffel-Kaffee-Püree, Kaffeeöl, Vanillesalz

Zwischengang 4

Rohe Steinpilze, Auberginen-Kartoffel-Kaffee-Püree, Kaffeeöl, Vanillesalz

Der letzte Gang aus der „Hauptgang“-Reihe. Ein Carpaccio aus rohen Steinpilzen mit Kaffeearomen. Zum einen im Püree, aber v.a. im grandiosen Kaffeeöl. Das muss unbedingt wiederholt werden, mal sehen wozu das noch so passt.

 

Break

Rose in Porzellan, Blaubeer-Essig, Bergminze-Blüten

Es folgte wieder ein Break. Eigentlich mehr eine Spielerei, aber eine sehr witzige! Porzellanisierte Rosenblüten. Ja, wirklich. Rosenblüten wurden mit Eiweiß und Porzellanerde eingehüllt und getrocknet. Das Ganze ist natürlich nicht steinhart, sondern hat nur etwas Crunch wie ein Keks. Dazu der fruchtig-frische Blaubeer-Essig und Bergminze. Alles, was ein Break braucht. Und Spaß und Spiel noch dazu.

 

Pre-Dessert 1

Gelberla-Eiscreme, kein Zwetschgen-Brotpudding, Popcorn-Pulver, Hirschholunder-Sauce

Gelberla sind Pfifferlinge. Nicht gerade eine übliche Eis-Zutat, aber man kann schließlich auch Crème brûlée daraus machen… Normalerweise erwähne ich Teile von Gerichten, die vom Menüplan bis zum eigentlichen Kochen auf der Strecke blieben, nicht. Aber hier schon, denn auf den Zwetschgen-Brotpudding hatte ich mich schon so gefreut. Schade, hätte sicher sehr gut gepasst. Dafür gab es eine einmalige Sauce vom roten Holunder! Nur eine Anrichteweise von diesem Gang, da das Eis, wie man sieht, nicht gerade kooperativ war…

 

Pre-Dessert 2

Sautierter Radicchio, Walnüsse, Skyr, Pfirsich süß-sauer, Kamille-Eis

Pre-Dessert 2

Sautierter Radicchio, Walnüsse, Skyr, Pfirsich süß-sauer, Kamille-Eis

Das zweite Pre-Dessert war für mich perfekt. Genau so, und mehr davon bitte. Wieder ein bitteres Element, süß-saure Frucht dagegen. In der Mitte Skyr (aus Island, zwischen Jogurt und Quark) und – eine neue Lieblingssorte – Kamille-Eis. Unbedingt ausprobieren, hat nichts von Kamillentee. 😉

 

Dessert 1

Colakraut-Sud, Trauben, Melissen-Macaron, Lindenblüten-Gel, Goji-Beeren-Pulver

Dessert 1

Colakraut-Sud, Trauben, Melissen-Macaron, Lindenblüten-Gel, Goji-Beeren-Pulver

Erstes Dessert, wir nähern uns dem Finale. Schon? Ja, auch dieses Menü neigt sich seinem Ende zu. Sieht unscheinbar aus, aber der Colakraut-Sud ist wieder eine Komponente, die durchaus für gespaltene Meinungen sorgte. Ich mag es.

 

Dessert 2

Blaubeerenkompott, Fior di Latte-Eis, geröstetes Dinkelmehl, Mädesüß-Krapfen

Dessert 2

Blaubeerenkompott, Fior di Latte-Eis, geröstetes Dinkelmehl, Mädesüß-Krapfen

Zweites Dessert, ein sehr würdiger Abschluss. Blaubeeren und Süßholz, ein Traum. Dazu ein Milch-Eis im wahrsten Sinne des Wortes und ausgebackenes Mädesüß. Fein und hübsch anzusehen.

 

Pralinen

Mango-Basilikum, Douglasien-Marshmallow, Mandel-Yuzu

Ganz zum Schluss gab es noch ein paar Pralinen zum Digestif. Schon mal Marshmallows selbst gemacht? Von der Douglasie kam allerdings leider nicht viel durch.

 

Womit wir zur Gretchen-Frage kämen – wie hat sich die kleine Küchencrew bei dem langen Menü geschlagen? Mit einem Rekord! Das Gruppenfoto wurde um 22:30 aufgenommen, das ist 1 h früher als im Februar und 2 1/2 h früher als Winter ’13. Und die Küche war zu dem Zeitpunkt schon so gut wie fertig sauber. 😮 Es wurde zwar danach auch wieder sehr spät, aber das lag dieses Mal am gemütlichen Zusammensein bei guten Gesprächen und Getränken.

Damit endet ein Event, das gleich in mehreren Dingen anders und besonders war. Und doch vertraut und vor allem schön! Aber die Wartezeit ist nur kurz, das nächste Event startet in 10 Wochen!

Einen kleinen Nachsatz muss ich allerdings noch einwerfen: Gelatine ist nicht vegetarisch. 😉 Wurde zwar am Event schon angesprochen, aber war offensichtlich nicht jedem bekannt.

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